Einen Vertrag zu einem Zeitpunkt unterzeichnen zu lassen, an dem die Unterzeichner alle in Telearbeit sind? Aber ja, es ist möglich!

Signature-electronique

„Es wird schwierig sein, diesen Vertrag in den nächsten Tagen zu unterschreiben, da der Verantwortliche nicht im Büro ist. Die Unterzeichner sind nicht alle hier und Herr X, der einzige, der den Vertrag unterschreiben kann, kommt nächste Woche zurück.“ Solche Kommentare sind nicht mehr relevant.


Diese seit langem bestehenden Schwierigkeiten haben sich durch die aktuelle Pandemie noch verschärft, wodurch die Notwendigkeit, Verträge in entmaterialisierter Form abzuschließen, noch aktueller geworden ist.


Die Modalitäten der elektronischen Signatur (vgl. unseren Beitrag vom 27. Mai 2019), die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die elektronische Signatur am 1. Januar 2017 in das Schweizer Recht eingeführt wurden, sowie die jüngsten Erleichterungen bezüglich der Modalitäten dieser elektronischen Signatur während der COVID-19-Pandemie (vgl. unseren Beitrag vom 6. April 2020) haben wir bereits besprochen.


Allerdings muss man sagen, dass diese elektronische Signatur sehr umständlich in der Anwendung ist und den aktuellen Bedürfnissen der Rechtssubjekte und der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung der Geschäftswelt nicht gerecht wird.


Einige Plattformen, von denen DocuSign die am weitesten verbreitete ist, bieten an, Verträge über sie abzuschließen, wobei sie ihre Dienste den Parteien fast kostenlos zur Verfügung stellen. Die Parteien können ihre Verträge online unterschreiben, sich gegenseitig zuschicken und sicherstellen, dass die Dokumente ordnungsgemäß unterzeichnet wurden.


Ist dieses Verfahren nach schweizerischem Vertragsrecht gültig und ist eine solche Unterschrift für die Parteien, die so vorgegangen sind, verbindlich?


Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das schweizerische Vertragsrecht den Grundsatz der Vertragsfreiheit (11 OR) aufstellt, d.h. es akzeptiert die Gültigkeit von Verträgen, die mündlich oder durch schlüssige Handlungen geschlossen werden, sofern jede Partei ihren Willen in einer für den Empfänger erkennbaren und verständlichen Weise zum Ausdruck bringt.


Nicht zuletzt sind im Schweizer Recht viele Verträge formfrei und können daher mündlich, durch schlüssiges Handeln oder über die oben genannten Plattformen gültig abgeschlossen werden. Dazu gehören Verträge über den Verkauf von beweglichen Sachen, Arbeitsverträge, Mietverträge und Agenturverträge. Das Gleiche gilt für Gesellschaftervereinbarungen oder Aktienkauf- und -verkaufsverträge und fast alle kommerziellen Verträge, die im Rahmen des täglichen Geschäftsbetriebs eines Unternehmens abgeschlossen werden.


Es besteht kein Zweifel, dass der Abschluss eines Vertrages über digitale Plattformen wie DocuSign die oben genannten Kriterien der Erkennbarkeit und Verständlichkeit für den Empfänger erfüllt. Demnach genügt der Abschluss von Verträgen über eine DocuSign-ähnliche Plattform, die nach Schweizer Recht keinem besonderen Formerfordernis unterliegen, den formellen Wirksamkeitserfordernissen des Schweizer Rechts.


Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn das Schweizer Recht eine bestimmte Form für die Gültigkeit des Dokuments oder des Vertrags vorschreibt.


So unterliegt z.B. der Verkauf von Immobilien der beglaubigten Form (216 CO), d.h. die Urkunde muss vor einem Notar vollzogen werden, ebenso wie viele Urkunden, die mit dem Leben einer Gesellschaft zusammenhängen, insbesondere bei Satzungsänderungen der Gesellschaft.


Andere Verträge unterliegen der einfachen Schriftform, wie z.B. die Forderungsabtretungsurkunde (165 OR), das Schenkungsversprechen (243 OR), die Bürgschaftsurkunde, wenn der Bürge keine natürliche Person ist (493 OR) oder der Leibrentenvertrag (517 OR), oder der qualifizierten Schriftform (die z.B. die Verwendung eines amtlichen Formulars voraussetzt (266l OR) oder dass der Text vollständig von seinem Verfasser handschriftlich geschrieben ist – 347a OR).


Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Art. 11 Abs. 2 OR, der vorsieht, dass „bei Fehlen einer gegenteiligen Bestimmung über den Umfang der vorgeschriebenen Form der Vertrag nur gültig ist, wenn diese Form eingehalten worden ist“, für die Parteien jedoch eine Falle sein kann. Diese Bestimmung bedeutet, dass, wenn sich die Parteien auf eine bestimmte Form geeinigt haben, z. B. schriftlich, alle späteren Änderungen oder vorvertraglichen Vereinbarungen dieser Form entsprechen müssen. Eine Unterschrift durch DocuSign wäre daher nicht gültig, es sei denn, die Parteien vereinbaren, dass eine Unterschrift durch DocuSign oder ein ähnliches Tool in ihrem Fall als die Schriftform erfüllend angesehen wird.


In Anbetracht dessen empfehlen wir, eine spezielle Klausel für die Nutzung dieser Plattformen in den Vertrag für dessen Abschluss und mögliche zukünftige Änderungen aufzunehmen. Mit dieser Klausel wird jeder Zweifel an der formellen Gültigkeit des betreffenden Vertrages vermieden.


Wir schlagen daher vor, die folgende Standardklausel einzufügen:


„Für den Fall, dass die Parteien ein elektronisches Unterschriftensystem wie z.B. DocuSign oder eine vergleichbare Plattform oder Website durch von ihnen ordnungsgemäß bevollmächtigte Unterzeichner nutzen, bestätigen sie, dass sie ein solches System in voller Kenntnis der Sachlage, insbesondere der vorgesehenen Nutzungsbedingungen und des Sicherheitsniveaus, nutzen und verpflichten sich, eine solche Unterschrift als der Schriftform gleichwertig anzusehen und die Gültigkeit und Verbindlichkeit dieses Vertrages durch eine solche Unterschrift nicht in Frage zu stellen. „


Diese Art von Klausel wird viele zukünftige Missverständnisse vermeiden. Sie muss natürlich sorgfältig an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden.

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Christophe Wilhelm

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