Kampf gegen Piraterie - etwas Neues für Hosting-Provider?

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A. Entstehungsgeschichte der Revision


Am 1. April 2020 ist die Revision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG) in Kraft getreten. Die im Jahr 2012 eingeleitete Revision dauerte fast acht Jahre, bis sie abgeschlossen war. Ein erster Bericht, der aus dem von der Arbeitsgruppe AGUR 12 veröffentlichten Berichts stammte, wurde Ende 2015 veröffentlicht. Angesichts der unzähligen Stellungnahmen (mehr als 1.200 für einen Bericht von 8.000 Seiten…) war die Arbeitsgruppe AGUR 12 II gezwungen, ihr Exemplar zu überarbeiten. Erst am 27. September 2019 wurde der Entwurf schliesslich von beiden Kammern des Bundestages verabschiedet.


Gleichzeitig war die Europäische Union nicht zu überbieten, denn die neue Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Markt war am 7. Juni 2019 in Kraft getreten, wobei den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren gesetzt wurde.


Diese Überarbeitungen verfolgten mehrere Ziele, u.a. die Lieferanten stärker in die Verantwortung zu nehmen, um die Piraterie wirksamer zu bekämpfen und die Urheber besser zu entlohnen. Wir werden uns hier auf die Frage der Haftung beschränken.


Der Ansatz zwischen der Schweiz und der Europäischen Union ist unterschiedlich. Es sei daran erinnert, dass die Europäische Union im Gegensatz zum schweizerischen Recht bereits durch die Artikel 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (die „Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) eine ziemlich klare Haftungsbeschränkung für technische Vermittler, insbesondere Zugangs- oder Hosting-Provider, hatte. Dies war bei der Schweiz nicht der Fall, eine Situation, die dazu geführt hatte, dass sie 2016 auf eine Beobachtungsliste von Ländern gesetzt wurde, die die Interessen des geistigen Eigentums der USA nicht ausreichend schützten (Sonderbericht 301). Die Revision wird dieser unglücklichen Situation abgeholfen haben.


B. Mangelnde Verantwortung der Zugangsanbieter


Im Gegensatz zum Ansatz der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat der schweizerische Gesetzgeber jedoch keine Haftung der Zugangsanbieter für die illegalen Inhalte, zu denen sie Zugang gewähren, verankert. Da er sie für zu weit von dem inkriminierten Verhalten entfernt hielt und befürchtete, dass die Sperrung der Seiten, zu der diese Anbieter hätten gezwungen werden können, über das unbedingt Notwendige hinausgehen würde (das Phänomen der so genannten Übersperrung), verzichtete der Gesetzgeber schliesslich darauf, ihre Haftung zu regeln, und folgte damit der Auffassung des Bundesgerichts in einem Urteil 4A_433/2018 vom 8. Februar 2019 (ATF 145 III 72).


Das Schweizer Recht verzichtet damit in dieser Hinsicht auf ein Instrument, mit dem sich die meisten europäischen Staaten ausgestattet haben. Die Telekommunikationsbetreiber gehen daher unbeschadet aus dieser Revision hervor.


C. Die neue Behandlung von Hosting-Providern


Das Gleiche gilt nicht für die Hosting-Provider, die nun ein gewisses Maß an Sorgfalt an den Tag legen müssen, wie es in dem durch die Revision eingeführten neuen Artikel 39d URG definiert ist. Sie sollten jedoch beruhigt sein, dass diese Sorgfalt in mehrfacher Hinsicht begrenzt bleibt:


Ohne hier ins Detail zu gehen, kann man sich die Frage nach der Art des illegalen Inhalts stellen; muss es sich notwendigerweise um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handeln, wie die Einfügung dieser Bestimmung in das LDA vermuten lässt, oder kann es sich um eine andere Art von illegalem Inhalt handeln, wie z.B. eine Seite mit gefälschten Produkten, die hypothetisch nicht systematisch durch das Urheberrecht geschützt wird, die aber unter den Begriff „anderer geschützter Gegenstand“ fallen könnte? Sobald Markeninhaber berechtigt sind, sich auf den oben erwähnten Simsa-Code zu berufen, wäre es natürlich wünschenswert, dass sie sich auch auf Art. 39d URG berufen können, um einen Host zur Schliessung einer gefälschten und wieder online gestellten Website zu zwingen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt deutet jedoch nichts darauf hin, dass dies der Fall ist, auch wenn man es hoffen darf.


  • Zweitens kann der Anbieter unter der Annahme, dass der rechtswidrige Inhalt online gestellt worden ist, nur dann nach Art. 39d URG haftbar gemacht werden, wenn er auf diese neue Verletzung aufmerksam gemacht worden ist. Eine solche Benachrichtigung, die außerhalb eines Gerichtsverfahrens erfolgen kann, muss jedoch hinreichend präzise sein, um die Identifizierung des beleidigenden Inhalts zu ermöglichen. Da der Simsa-Code verlangt, dass der Ankläger ein besonderes Interesse an der Anklage hat, ist es fraglich, ob sich jemand auf eine Verletzung von Art. 39d des URG berufen kann. Auf den ersten Blick sollte es nichts verbieten.
  • Schließlich muss der gehostete Dienst ein besonderes Risiko von Urheberrechtsverletzungen mit sich bringen, sei es aufgrund der Tatsache, dass das System die Nutzer direkt oder indirekt dazu auffordert, illegale Inhalte zur Verfügung zu stellen, sei es aufgrund einer hohen Anzahl von Denunziationen oder einer Häufung von Links zu illegalen Inhalten oder auch aufgrund der Möglichkeit für die Nutzer, ihre Identität zu verbergen.


Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, muss der Anbieter dann die ihm angesichts des Verletzungsrisikos zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Inhalt nicht nur zu entfernen (take down), sondern auch zu verhindern, dass er wieder online gestellt wird (stay down). Es versteht sich von selbst, dass der Schieberegler hier je nach Größe des Anbieters, seiner finanziellen Kapazität und der Entwicklung der Technologie variieren kann. Der Ermessensspielraum ist daher groß.


Da die Anwendung von Art. 39a URG jedoch nur auf Hosting-Provider mit Sitz in der Schweiz angewendet werden kann, ist zu befürchten, dass die Anwendung von Art. 39a URG beschränkt bleibt, da die meisten der betroffenen Plattformen im Ausland gehostet werden.


D. Praktische Auswirkungen


Welche Schritte können den Rechteinhabern unter der Annahme des anwendbaren Art. 39d URG auf jeden Fall empfohlen werden?


  • Melden Sie den Inhalt, indem Sie (a) den Namen und die Adresse des Hinweisgebers mitteilen; (b) wie der Hinweisgeber von dem anstößigen Inhalt betroffen ist; (c) die URL-Adresse der fraglichen Seite; (d) die genaue Bezeichnung des illegalen Inhalts; und schließlich (e) wie der Inhalt illegal wäre.
  • Sobald dies geschehen ist, hat der Gastgeber zwei Tage Zeit (wie im Simsa-Code vorgesehen), um den Empfang der Meldung zu bestätigen und seinen Kunden zu informieren und ihn aufzufordern, entweder den ihm angezeigten Inhalt zurückzuziehen oder dessen Rechtmäßigkeit zu begründen. Falls erforderlich, kann der Gastgeber von seinem Kunden Sicherheiten verlangen und im schlimmsten Fall die betroffene Website ganz oder teilweise direkt sperren.
  • Wenn die Site bei demselben Host wieder auftaucht (wenn die Site bei einem anderen Host wieder online gestellt wird, muss das oben beschriebene Verfahren wiederholt werden), kann der Hinweisgeber oder, unserer Meinung nach, jemand anderes den Host auf die Erfüllung der in Art. 39d URG festgelegten Bedingungen aufmerksam machen.
  • Geht man davon aus, dass der Hosting-Provider nicht reagiert oder dass die in Art. 39d URG festgelegten Bedingungen nicht anwendbar sind (z.B. weil die fragliche Dienstleistung kein besonderes Verletzungsrisiko mit sich bringt), ist es dann notwendig, rechtliche Schritte vor den ordentlichen Gerichten einzuleiten (Art. 62 Abs. 1 Lit. a URG).

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